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Gestern Schüler, heute Arbeitnehmer|Ausbildung & Beruf

Gestern Schüler, heute Arbeitnehmer

26.01.2018

Für Jugendliche beginnt mit dem Start ihrer Ausbildung ein neuer Lebensabschnitt. Entsprechend unsicher sind sie. Also sollten die Betriebe für eine gute Ankunft ihrer neuen Mitarbeiter sorgen.Mit Grauen erinnert sich Kai Madel an den ersten Tag seiner Ausbildung zum Bürokaufmann. Wie gewünscht klopfte der damals 17-Jährige morgens Punkt 8.30 Uhr an die Tür zum Sekretariat des Inhabers eines Sanitärgroßhandels. Doch als er der Sekretärin sagte, wer er sei, antwortete diese: „Der Chef ist nicht da. Der hat einen Termin.“ Dann bat sie Madel, auf einem Stuhl im Flur Platz zu nehmen. Nach zwei Stunden rauschte endlich der Chef herein. Für mehr als einen Händedruck hatte er keine Zeit. „Kümmern Sie sich um den jungen Mann“, sagte er zur Sekretärin. Dann verschwand er wieder. „Bis mein Chef endlich mal Zeit hatte, verging eine Woche“, erzählt Madel. Motivierend wirkte das auf den angehenden Bürokaufmann nicht.So unstrukturiert verlaufen die ersten Arbeitstage von frischgebackenen Azubis oft – speziell in Kleinbetrieben. „Sie sind häufig auf die Ankunft der neuen Mitarbeiter nicht vorbereitet“, weiß Alexander Walz von der Personalberatung Conciliat. „Mal sollen die Berufseinsteiger gleich wie alte Hasen mitarbeiten. Das überfordert viele. Mal stehen sie nutzlos in der Ecke.“ Das erzeugt bei ihnen das Gefühl: Ich werde nicht gebraucht.Dahinter steckt meist keine böse Absicht, betont Walz. „Die Verantwortlichen versetzen sich nur zu wenig in die Lage der jungen Leute.“Für diese beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Entsprechend angespannt sind sie. Hunderte Gedanken rasen ihnen durch den Kopf: Wie sind meine künftigen Kollegen? Werde ich akzeptiert? Kann ich die Aufgaben erfüllen? „Deshalb ist es wichtig, den jungen Leuten eine gute Ankunft zu ermöglichen“ – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen. „Denn vom ersten Eindruck hängt stark ab, wie sehr sie sich mit ihrem Job und Arbeitgeber identifizieren.“ Das haben die meisten Großunternehmen erkannt. Deshalb gibt es dort Einführungsprogramme – zum Beispiel bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Dort dauert die Einführungsphase für die jährlich rund 100 Auszubildenden zwei Wochen. Zunächst werden die Azubis vom Personalvorstand begrüßt. Danach folgen drei Tage, die primär dem Kennenlernen des Unternehmens und der allgemeinen Information dienen. Anschließend nehmen die Azubis an einem zweitägigen Outdoortraining teil. „Auch um sich wechselseitig kennenzulernen“, betont Ausbildungsleiterin Marion Matter. „Denn das fördert die Identifikation mit dem Unternehmen.“In der zweiten Woche werden die Azubis in die Software-Programme eingeführt. Auch ein Telefontraining steht im Programm. Und ebenfalls ein fester Baustein der Einführung ist ein halbtägiger Benimm-Kurs. In ihm geht es, so Matter, „primär um scheinbar banale Dinge: Wie kleide ich mich angemessen? Was mache ich, wenn ich etwas brauche? Wie und wann grüße ich Kollegen?“ Lauter Kleinigkeiten, die für berufserfahrene Mitarbeiter selbstverständlich sind. Berufseinsteiger wissen oft noch nicht, welche Verhaltensregeln in den Betrieben gelten. Also sollte man es ihnen sagen. So aufwendige Einführungsprogramme können sich kleinere Unternehmen nicht leisten. Das ist auch nicht nötig. Trotzdem sollten auch sie sich überlegen, wie sie den Berufseinsteigern das Ankommen erleichtern. Selbstverständlich sollte eine Begrüßung durch den Chef erfolgen, er dem neuen Azubi in aller Ruhe den Betrieb zeigen und ihn den wichtigsten Personen vorstellen. Auch ganz praktische Dinge gilt es zu besprechen. Zum Beispiel: Ist es üblich, dass Neue einen Einstand geben? Oder wie sind die Pausen geregelt?Mit viel mehr Infos sollte man die Azubis am ersten Tag nicht belasten. Sinnvoller ist es, ein weiteres Gespräch am Folgetag zu vereinbaren. Dann kann der Verlauf der Ausbildung erklärt werden oder was das Unternehmen vom Azubi erwartet, „auch bezüglich seines Umgangs mit Kunden und Kollegen.“ Das geschieht oft nicht, kritisiert Führungskräftetrainer Reiner Voss, „weshalb die jungen Kollegen ungewollt in Fettnäpfchen treten“.Klar ist: Die Neuen können sich nicht alles merken, was in den ersten Tagen auf sie einprasselt. Deshalb empfiehlt Voss Betrieben, die wichtigsten Dinge in einem Handbuch zu notieren. Darin kann zum Beispiel stehen: Wie werden Unterlagen archiviert? Worauf ist beim Schreiben von Mails zu achten? Wie und wann ist Urlaub zu beantragen? So ein Handbuch erspart Zeit. Denn die Azubis müssen seltener bei Kollegen nachfragen. Hilfreich ist auch ein Plan, wer den Auszubildenden wann solche Dinge wie die wichtigsten PC-Programme erklärt. Das stellt sicher, dass nichts vergessen wird. Und: Die Infos werden in verdaubaren Häppchen serviert. oh

Ausbildung & Beruf

26.01.2018 15:00 Uhr

Der neue Lebensabschnitt sollte mit einem gut organisierten Start im Ausbildungsbetrieb beginnen

Gestern Schüler, heute Arbeitnehmer-2
Ein freundlicher Empfang ist das A und O für einen guten Ausbildungsstart. Deshalb sollten Unternehmen vor dem ersten Ausbildungstag festlegen, wer sich wann um den Azubi kümmert. Foto: Thinkstock

Reden statt schwänzen

Auszubildende dürfen die Berufsschule nicht schwänzen. Denn für wiederholtes Fehlen kann die Berufsschule Azubis von der Schule verweisen, und damit endet automatisch auch die Lehre. Wer mit dem Stoff nicht zurecht kommt, kann über seinen Ausbilder oder direkt bei der Arbeitsagentur ausbildungsbegleitende Hilfen (ABH) beantragen. Das ist Nachhilfeunterricht, der zusätzlich zum Besuch der Berufsschule stattfindet. Wer unterfordert ist, kann in Abstimmung mit Berufsschule und Betrieb zusätzliche Aufgaben erhalten. oh